Schon wieder ein Prozess, schon wieder in Wiesbaden. Schon wieder soll das „Recht“ der Rassist*innen und Faschist*innen auf ungestörten und reibungslosen Ablauf ihrer Aufzüge durch die versammlungsrechtliche Kriminalisierung antifaschistischer Proteste durchgesetzt werden.
Was hat sich am 19.01.2019 in der Bahnhofstraße abgespielt? Eine Demonstration in gelben Warnwesten, mit Deutschland-Fahnen und einem Fronttransparent, das Bezüge zu Weltverschwörungstheorien herstellt, lief Richtung Landtag. Schon im Vorfeld hatten die Veranstalter*innen („WirSindVielMehr“) versucht sich ein „überparteiisches“ Image zu geben, im Aufruf wurde appelliert keine offen rechte Symbolik zu zeigen. Als zentraler Anküpfungspunkt wurden die sozialen Forderungen des „Gilet Jaunes“ Aufstandes in Frankreich gewählt. Dass es sich dabei um eine Querfront-Strategie handelt, wurde aus dem Zusammenhang schnell klar. Die überregionale, rassistische Mobilisierung einer gemischten Szene (Frauenbündnis Kandel, Patrioten NRW, Merkel-Muss-Weg /Beweg-Was, etc…) stellt so etwas wie die westdeutsche „Straßenbewegung“ des Rechtsrucks und der AfD-Basis dar, mittels der in enger Einbindung sozialer Medien rassistische Stimmung gegen Geflüchtete und Muslim*as sowie antisemitisch aufgeladenes Verschwörungsdenken geschürt wird. In Wiesbaden ist dieses Spektrum durch die Gruppe „Hand in Hand“ vertreten, die auch als Erste mit gelben Westen durch Wiesbaden lief, parallel zu „Frauenbündnis Kandel“ und anderen Rechten, die dieses Symbol sehr schnell in ihre Demo-Routine übernahmen. Kurz darauf folgten eigene „Gelbwesten“ Demos in Deutschland, die aber anders als in Frankreich vor allem diesem Spektrum dazu dienen sollten ihr rechtes Stigma abzustreifen. Die Mobilisierung der neuen Gruppe „WirSindVielMehr“ bestand dann aus einzelnen Motorradrockern, Kampfsportlern, Identitärer Bewegung und vor allem rassistischen und antisemitischen Internet-Akteur*innen wie „Abendland Deutschland“ oder dem bekannten rechten Influencer Henryk Stöckl, die Demonstrationen für ein weitaus größeres Online-Publikum streamten. In der Anfangszeit wurde diese Mobilisierung von der Lokalpresse nicht als rechtsradikal begriffen. Erst in den nächsten Monaten, mit entschlossenen Gegenaktionen bei jeder neuen Gelbwesten-Demo, mit der Veröffentlichung von immer mehr antifaschistischer Recherchearbeit und mit der Problematisierung in überregionalen Medien änderte sich das. Als „WirSindVielMehr“ sich nicht mehr medial als „überparteiisch“ inszenieren konnte, gab sie ihre Demonstrationen auf.
Es ist daher unsere Verantwortung sich solchen faschistischen Mobilisierungsversuchen entgegenzustellen und ihren Charakter möglichst schon im Keim offenzulegen, bevor sie menschenfeindliche Dynamiken auch lokal verstärken können. Wir MUSSTEN an diesem Tag klar machen, dass dafür in Wiesbaden kein Durchkommen ist. Wie wichtig dies ist, zeigte sich schon an diesem Tag selbst. Henryk Stöckl filmte Passant*innen ab und drohte ihnen, bloß weil sie sich mit unserem Protest solidarisch zeigten. Es wurde noch deutlicher, als abreisende Genoss*innen am Bahnhof von Teilnehmern der rechten „Gelbwesten“ angegriffen wurden und nur wenige Wochen später, als in den Foren dieser Szene, Videos des Wohnhauses und Bilder des Klingelschilds eine*r wiesbadener Antifaschist*in auftauchten.
Es kann keine Kompromisse, keine ausgewogene Debatte, keine öffentliche Abwägung mit rassistischen und antisemitischen Kräften geben, ohne dass dabei die Rechte und die Würde jener Menschen verletzt werden, die durch diese Kräfte in ihrer Freiheit und ihrem Leben bedroht sind.
Da die Staatsanwaltschaft dies anders sieht, kommt es nun zu einem Prozess gegen eine*n der Antifaschist*innen, gegen die nach dem 19.01.2019 Ermittlungen aufgenommen wurden. Gemeint sind dabei wir alle.
Für uns ändert das nichts daran: Antifaschismus bleibt notwendig und legitim.
Kommt zum Prozess, zeigt Solidarität.
Neuer Termin:
Mittwoch, 15. Juli 2020, 09:30 Uhr, Amtsgericht Wiesbaden
Saal 0.006