Staatliche Repression gegen die türkische Journalistin Özgul Emre und die bekannte linke türkische Band Grup Yorum

Am 16. Mai 2022 wurde die linke Aktivistin Özgul Emre, die vor ihrem Exil als Journalistin in der Zeitung Kurtulus (Befreiung) publizierte, am Heidelberger Hauptbahnhof festgenommen.

Nun sitzt sie seit dem 17. Mai 2022 im Knast im rheinland-pfälzischen Rohrbach ein.

Einen Tag nach Özgul wurden Serkan Küpeli und Ihsan Cibelik – Musiker der bekannten linken Band Grup Yorum – in ihren Wohnungen in Hamburg und Bochum verhaftet. Grup Yorum gründete sich nach dem Militärputsch in der Türkei 1985 in Istanbul.

Die Musikgruppe gehört dem sozialistischrevolutionären Spektrum an und war immer wieder Ziel der türkischen Repressionsbehörden. Grup Yorum, deren Konzerte von bis zu 100000 Fans besucht wurden, wird von den türkischer und deutscher Seite der DHKP-C (revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) zugerechnet – eine Organisation, die auch bewaffnet gegen das autoritär bis faschistoide Erdogan-Regime kämpft und sowohl in der Türkei als auch in Deutschland verboten ist.

Gegen alle drei Inhaftierten wird deshalb auf Grundlage der Paragraph 129 b StGB ermittelt, der sich gegen vermeintlich terroristische Vereinigungen im Ausland richtet. Gegen Özgul wird sogar der Vorwurf erhoben, seit 2017 die Deutschland-Verantwortliche der Organisation gewesen zu sein.

Ziel sei es, ein Exempel zu statuieren an denjenigen, die sich am antifaschistischen und antiimperialistischen Kampf beteiligen, schrieb Özgul in einem Brief aus dem Knast, mit dem sie sich an die Öffentlichkeit gewandt hat.

Unmittelbar nach ihrer Einlieferung in Rohrbach wurde sie gezwungen Anstaltskleidung zu tragen – eine Form der Unterwerfung, den sie keinesfalls hinnehmen wollte.

Trotz der Zusage persönliche Kleidungsstücke zu erhalten, sorgte der zuständige Richter nicht für deren Umsetzung. Die kämpferische Gefangene setzte sich mit einem Hungerstreik gegen diese Schikane zur Wehr, um ihre Integrität und Würde als politische Inhaftierte zu wahren. Nach mehr als 40 Tagen erreichte ihren Unterstützer*innenkreis alarmierende Nachrichten: Die Justizanstalt verwehrte ihr, Salz und Zucker zu sich zu nehmen, zwei Lebensmittel die elementar sind, um bleibende Schäden durch einen Hungerstreiks zu verhindern. Ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich zusehends, so dass Özgul zwangsweise in ein Justizkrankenhaus transportiert wurde, wo sie gegen ihren Willen zwangsernährt werden sollte.

Nach zwei weiteren Tagen gab die Anstaltsleitung nach 44 Tagen klein bei und erlaubte ihr, sich eigene Kleidung auszusuchen und zu bestellen. Ihre persönlichen Kleidungsstücke wurden ihr indessen nach wie vor nicht ausgehändigt.

Detailliert schildert Emre in ihrem Brief, wie ihr der Hofgang verwehrt wurde und männliche Wärter täglich neue Teller mit Essen gebracht hätten, während sie ihren Hungerstreik in Unterwäsche und Bettlaken fortführte. Am Ende habe sie am Tag kaum noch zwei Tassen Flüssigkeit aufnehmen können, die sie später unter Schmerzen erbrochen habe. Auch dabei sei sie auf der Krankenstation von Kameras gefilmt worden. »Ich habe verstanden, dass kein juristisches, sondern ein politisches Verfahren auf mich wartet“, lautet ihr Fazit.

Mittlerweile wurde eine 300 Seiten umfassende Anklageschrift verfasst und der Prozess gegen Özgul soll am 18 April in Düsseldorf eröffnet werden. Ein zentraler Anklagepunkt ist die Organisation eines großen Konzerts von Grup Yorum in Oberhausen sowie einige kleinere Auftritte in den Jahren zuvor. Gegen alle Veranstaltungen wurde zunächst eine Verbotsverfügung erlassen, die allesamt einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten konnten.

Gerade im November letzten Jahres bekräftigte die Bundesinnenministerin Nancy Faser während ihres zweitägigen Besuchs in der Türkei in Gesprächen mit ihrem Amtskollegen die deutsch-türkische Zusammenarbeit bei der sogenannten Terrorismusbekämpfung. Nach ihrer Rückkehr betonte sie noch einmal in einer Pressekonferenz, dass Deutschland im „Kampf gegen den Terrorismus“ fest an der Seite der Türkei stehe. Eine Position in der Tradition der deutsch-türkischen Waffenbrüderschaft, die schon seit dem deutschen Kaiserreich gepflegt wird. Die Übernahme der inflationären türkischen Terrorismusdefinition durch die deutsche Generalbundesanwaltschaft und deren verschärfte Anwendung auf türkische und kurdische Exilopposition hier erscheint zumindest fragwürdig und ein Kern des Problems zu sein.

Wir fordern die sofortige und bedingungslose Freilassung der politischen Gefangenen! Von uns wünscht sich Özgul, dass wir sie in ihrem Kampf für Freiheit nicht alleine lassen.

Solange sie noch in Rohrbach einsitzt, freut sie sich über Post. Deshalb schreibt ihr:

Özgul Emre

Justizvollzugsanstalt Rohrbach

Peter – Caesar Allee 1, 55597 Wöllstein

Ihr könnt Özgul in Englisch, Türkisch oder in Alltagsdeutsch schreiben.